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20.06.2000
21:00 - 22:30 Uhr

Rollende-Road-Schau vom Rosa-Luxemburg-Platz
Die Berliner Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz als Schaustellerprojekt
Eine philosophische Freak-Show, ratlose Ideologieartisten auf dem Schlappseil!
Eine Koproduktion der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz mit dem Deutschen Pavillon
Leitung: Frank Castorf


mit Annekathrin Bürger, Sebastian Hartmann, Helmut Höge, Hannah Hurtzig, Kantinenkoch Peter, Martin Kasper, Dr. Jürgen Kuttner, Matthias Matschke, André Meier, Astrid Meyerfeld, Bert Neumann, Dorothea Ratzel, Sophie Rois, Jochen Roller, Sir Henry, Kate Strong, Natascha Vahlendiek, Cordelia Wege sowie Hannoveraner Zwerghühnern und einer sprechenden Intendantenpuppe


Frank Castorfs Volksbühne gastierte mit vier, vom Chefbühnenbildner Bert Neumann eingerichteten Zirkuswagen im Deutschen Pavillon. Die angeblichen Versprechungen des überall proklamierten "Events", nämlich statt einer vergeistigten Kunst eine körperliche, statt spröder Fremdheit eine unumständliche Nähe des Genusses, wurden mit naivem Spiel, Illusionsmalerei, Kitsch und starken Emotionen konterkariert. Die Charakteristik des Zirkus nutzend, beschritt das Volksbühnen-Ensemble einen kontrastreichen Weg, das als niedere Kunst verkannte Fach neu zu bewerten - der Zirkus als ein Marktschreierplatz der Aufklärung, dessen Kunststücke und Nummern den Verlust ihrer magischen Herkunft vorführen und nicht ablassen, ihr Publikum gerade über die totale Offenlegung des Machbaren von Magie und Wunder zu verführen.
Die Volksbühne präsentierte in der "Rollenden-Road-Schau vom Rosa-Luxemburg-Platz" die ganz großen Inhalte in der ganz kleinen Form:
Hartmann's Gruselbude im ersten Wagen lebte von billigen Effekten und puren Exorzismen. Blutiges Kleinbürgertheater generierte sich in bester Splatter-movie Manier. Wer sich zu Niederem berufen fühlte, war hier richtig aufgehoben.
Roller's Mobile Völkerschau präsentierte importierte Touristen im Welt-Freizeit-Container. Er fungierte als möglicher Ersatzpavillon all jener Nationen, die sich keinen eigenen bei der Weltausstellung leisten konnten. In diesem Welt-Freizeit-Container wurde die morbide Neugier oder das wissenschaftliche Interesse des Publikums befriedigt. Vor einem handgemalten Rundhorizont brachten die Touristen ausgestorbene Vorurteile über das Exotische tänzerisch zur Darstellung.
Kuttner's Aufklärungsstand parodierte die Bedeutung der Information innerhalb unserer hochtechnisierten Gesellschaftsform. Er berichtete über die "wahre Geschichte" des Kombinats "Narwa" und steigerte "das traurige Schicksal der unsterblichen Glühbirne und seines Erfinders, Herrn Binninger", zur Groteske.
Matschke's Spiegelkabinett war ein Vexierbild mit lebenden Figuren. Dem Zuschauer war eine scharfe Beobachtungsgabe und physiognomisches Vorwissen abverlangt worden. Die Rätselaufgabe um Menschenabbilder geriet zur satirischen Einlage um die Verortung des "Selbstbildes im Fremdbild und umgekehrt". Die Lösung lag im Bereich zwischen Wiedererkennen von Ähnlichkeiten, täuschender Nachahmung und Schattenboxen.

 
 
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