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27.10.2000
20:30 - 22:30 Uhr

Abschied. I Wish You Love
Ein Abend von Ulrich Rasche
mit Texten von Johann Wolfgang von Goethe, Rainer Maria Rilke und Raymond Carver
Uraufführung
Regie: Ulrich Rasche
Bühne: Ulrich Rasche, Hector Solari
Kostüm Lebende Statue: Hans Thiemann
Licht: Britta Mayer
Video: Micz Flor
Sound: Chris Flor
Piano: Maximilian Kraft

mit Bartel Meyer, Markus Meyer, Kurt Radeke, Nadja Schulz-Berlinghoff und Ilse Werner sowie dem Passat-Chor


"Abschied. I Wish You Love" schichtete Szenen des inneren und äußeren Abschieds zu einer Erkundung menschlicher Isolation und berührte in seiner formalen Konsequenz Grundsatzfragen theatraler Darstellung. Drei Schauspieler, der 50-köpfige Passatchor und der ehemalige Ufa-Star Ilse Werner agierten in streng choreographierten Tableaus, die durch Videoprojektionen des Berliner Künstlers Micz Flor gerahmt wurden.
Ilse Werner und der Passat-Chor repräsentierten den Trennungs- und Sehnsuchtsgedanken des Volksliedes auf einer übergeordneten, gesellschaftsbezogenen Ebene. Sie konterkarierten und bespiegelten mit der an ihnen selbst ablesbaren kulturell bestimmten Vorstellung von Abschied die individuelle, sich auf engstem Raum vollziehende, innere Trennung eines amerikanischen Ehepaares im kleinbürgerlichen Milieu. Die Kurzgeschichte "Die Frau des Studenten" des Amerikaners Raymond Carver stand im Zentrum des anderthalbstündigen Abends.
Carver schildert in seinen Geschichten ganz gewöhnliche Situationen im Leben einfacher, von der Literatur vielfach übergangener Menschen. Er bevorzugt das familiäre Milieu und variiert das Thema brüchiger zwischenmenschlicher Beziehungen, in denen die Liebe erkaltet ist. Statt sich miteinander auszusprechen, redeten die Figuren unablässig aneinander vorbei. In ihren Sprachmustern äußerte sich die Unfähigkeit zu kommunizieren. Allein und in sich gefangen, waren die Figuren nicht imstande, dem Geschehen eine entscheidende Wende zu geben. Die Regie enthob die beiden Protagonisten ihres sozial determinierten Milieus und positionierte Mann und Frau auf die abstrakte Fläche des monochromen Bühnenbaus. Die Inszenierung zielte darauf, die herkömmliche Erwartungshaltung des Theaterbesuchers zu enttäuschen, um die eigentlichen ästhetischen Qualitäten von Text und Theater in den Betrachtungshorizont zu rücken. Rhythmus und Musikalität des Textes sowie der körperliche Vollzug des Sprechens waren in dieser Inszenierung von besonderer Bedeutung.
Abschied wurde entgegen einer dramatischen Ästhetik nicht im realistischen Illusionsspiel hervorgebracht, sondern durch die Unmittelbarkeit der Körperpräsenz geweckt. Minimalste körperliche Abwendungen vom Partner, Fingerbewegung und Atmung gerieten in das Wahrnehmungsfeld des Zuschauers.

Der Regisseur Ulrich Rasche knüpfte mit seiner Arbeit bewußt an die minimalistische Kunst der sechziger Jahre an. Er reklamierte damit für das Theater, was in die bildende Kunst spätestens mit den Arbeiten von Jackson Pollock, Sol Lewitt und Richard Serra Einzug gehalten hat: Die Vorrangigkeit der konzeptuellen Form vor der Einmaligkeit und Originalität des Werks. Die radikalen bildimmanenten Positionen der sechziger Jahre dienten Rasche heute in einem veränderten gesellschaftlichem Umfeld wieder als Anknüpfungspunkte, um für Schauspieler und als Regisseur Strategien zu entwickeln, die sich der Massenkultur des authentischen und unmittelbaren Ausdrucks widersetzen.

 
 
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