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26.09.2000
20:30 - 22:00 Uhr

TheaterPorträt.
Festival »perspectives« Saarbrücken
Das tätowierte Auge... Baal
Theatralische Partitur für einen Opernsänger, einen Kontrabassisten und eine Tänzerin nach Bertolt Brecht
Eine Produktion von Judith Productions Aix-en-Provence in Koproduktion mit perspectives 99 Saarbrücken, dem Kulturprogramm Deutscher Pavillon und dem Theater der Stadt Remscheid

Inszenierung: Claudine Hunault (F)
Bühne, Kostüme: Jürgen Aue (D)
Bühnenbearbeitung: Jaqueline Bosson (F)
Licht: Rémi Nicolas (F)


mit Peter Kowald (D), Anne Martin (F) und Lionel Sarrazin (F)


Das Festival "perspectives" wurde 1978 gegründet und fand seitdem jedes Jahr im Mai in Saarbrücken statt. Die geografische Lage im Zentrum der Region Saar-Lor-Lux prädestiniert die Stadt für ein Festival, das sich als Hommage an die Kultur des Nachbarlandes versteht. "perspectives" ist vor allem ein Forum für den deutsch-französischen Austausch und Treffpunkt für Künstler und Publikum beider Länder. Als "Festival des französischen Theaters und Chansons" legt "perspectives" den inhaltlichen Schwerpunkt auf zeitgenössische Bühnenkunst in all ihrer Vielfalt. Alle Sparten des Theaters sind vertreten: Sprech- und Tanztheater, Chanson, Zirkus, Straßentheater und szenische Lesungen.
Neue, unkonventionelle Arbeiten stehen im Mittelpunkt des Programms. "perspectives" bietet dem deutschen Publikum die Möglichkeit, das aktuelle französische Theater zu entdecken, die großen Namen von morgen schon heute in Saarbrücken zu sehen. Junge Kompanien und Dramatiker haben die Möglichkeit, ihre Arbeiten - oft zum ersten Mal - vorzustellen. Theater wird hier verstanden als Ort des Dialogs und der Begegnung über die Sprachgrenzen hinaus.

Die Französin Claudine Hunault ließ sich von Bertolt Brechts Theaterstück Baal inspirieren, den Mythos der disparaten Figur weiterzudenken. Baal an der Grenze von Göttlich- und Menschlichsein strebt danach, die natürlichen Bedürfnisse nach Verführung, Eroberung und Liebe zu einer Ganzheit zu vereinen. Das Göttliche verschmilzt mit der Realität, wird zum Kampf, der in einem erlösenden Tod endet. Nicht Baal war es, der das Ensemble um Hunault interessierte, sondern die Interaktion zwischen übernatürlichen Empfindungen und der Wirklichkeit. Die Regisseurin inszenierte diese surreale und gleichermaßen aktuelle Geschichte mit zwei Musikern und einer Tänzerin. Sie zeigten ihre eigene Beziehung zur Kunst, ihre physische Authentizität, formulierten ihre Forderung nach Freiheit, einer vorgegebenen Rolle nicht verhaftet sein zu müssen. In der Besetzung drückte sich bereits die Absicht des Stücks aus: den Künstler innerhalb eines gesellschaftlich relevanten Kontexts zu inszenieren, "den Asozialen in einer asozialen Gesellschaft". Hier drängten sich zwei Fragen auf: Interessiert den Zuschauer der Künstler überhaupt? Inwiefern bedeutet das Überleben des Künstlers - und nicht nur das materielle Überleben - dem Zuschauer etwas? Hunault antwortete darauf mit einem Frühwerk von Brecht, das aussagt, der Künstler stelle eine Stärke in einer Gesellschaft dar und dass die Provokation, die er ausübt, nur selten richtig beurteilt würde. Das Bühnengeschehen erzeugte Überraschung, Begeisterung, Irritation, Enthusiasmus und Unbehagen. Wenn Baal von Überheblichkeit und Lässigkeit überging zu respektvoller Liebe zu seiner eigenen Stimme, wenn Eckart mit der körperlichen Kraft eines Holzfällers Kontrabass spielte und von abrupten Unterbrechungen überging zu gewaltigen Reprisen mit dem Bogen, dann lösten beide ein Verlangen aus, das sich auf das Publikum übertrug. Diese Kunst ließ den Zuschauer nicht vergessen, dass noch Zeit ist zum Träumen und für den Glauben an noch nicht gegangene Wege.

 
 
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