LIED:STRAHL
An sieben Tagen mit sieben Liederabenden, einer Liederstunde und sechs
Workshop-Konzerten der Liedklassen deutscher Musikhochschulen stellte die
Festivalwoche Lied:Strahl vom 14. bis 20. August 2000, die von Prof. Yaron
Windmüller und Axel Bauni entworfen wurde, elf Uraufführungen
der jüngeren deutschen Komponistengeneration in den Kontext bereits
vertrauter Werke.
Die im Auftrag des Deutschen Pavillons geschriebenen Klavierlieder
bzw. Liederzyklen waren die Kernpunkte dieses künstlerischen Projekts
im August Everding Saal. Um die neuen Lieder gruppierten sich die Programme
der sieben Abende, in denen die moderne Klavierlied-Literatur besondere
Berücksichtigung fand: die Lieder von Arnold Schönberg, Anton
Webern, Paul Hindemith, Hanns Eisler, Paul Dessau, Günter Bialas,
Boris Blacher, Kurt Weill, Stephan Wolpe, Wolfgang Rihm - und Aribert Reimann,
der die ganze Woche begleitete. Er widmete den Arbeiten seiner jüngeren
Kollegen große Aufmerksamkeit und diskutierte mit ihnen und dem Publikum
über die Chancen des Klavierliedes in unserer Zeit.
Nicht nur aufgrund ihrer erlesenen Programme waren die Lied:Strahl-Abende
etwas Besonderes. Sie wurden darüber hinaus abwechslungsreich jeweils
von mehreren Sängern und Pianisten gemeinsam in einem von Jakob Mattner
geschaffenen Bühnenraum gestaltet. Mattner ließ
von drei Kameras im Inneren des Flügels Bilder einfangen, die auf
Großbildleinwand projiziert wurden. ‚Nachrichten aus dem Flügel’
nannte er diese Installation. Sie intensivierte die Bilder, die sich bereits
im geöffneten Flügeldeckel spiegelten.
Jeder Abend stand unter einem besonderen Motto, das meist einem der
neuen Lieder entnommen war: “Ein Lied für dich allein ...”, “Der Tanz
ist aus”, “Touristen, Rucksäcke, Akrobaten”, “Nachricht von Charon”,
“es sind noch Lieder zu singen jenseits der Menschen ...”, “Keinen Frieden
find ich ...”, und zum Abschluß “Weg, weg, weg mit den Reimen,
mit den Arien ...”. Diese Konzerte wie auch sechs Workshop-Konzerte von
Studierende der Liedklassen der Hochschule der Künste Berlin, der Hochschule
für Musik “Hanns Eisler” Berlin sowie der Musikhochschulen Leipzig,
Saarbrücken, München und Karlsruhe an den Nachmittagen erfreuten
sich einer außerordentlichen Resonanz bei Publikum und Presse.
Unter allen musikalischen Genres nimmt das Klavierlied in der Moderne
einen sehr unterbewerteten Platz ein. Die Idee von Axel Bauni und Yaron
Windmüller bestand darin, einigen Komponisten Anstoß zu geben,
sich auf diesem unberechtigter Weise vernachlässigtem Terrain auszuprobieren.
Das wurde zu einem unerwarteten Erfolg, obwohl es in der Tat für mehrere
Komponisten der erste Schritt auf diesem Gebiet war. Noch erstaunlicher
war jedoch die Tatsache, dass die meisten der Komponisten sich nicht auf
ein einzelnes Lied beschränkten, sondern ganze Lieder-Zyklen schickten.
Ihre Arbeiten waren Entdeckungsreisen, die sie nicht einfach abbrechen
wollten. Sogar Isabel Mundry, die als Text ein nur fünfzeiliges Anagramm
wählte, gestaltete jede Zeile zu einem selbständigen “Lied”.
Moritz Eggert schrieb den umfangreichsten Zyklus: An Robert Schumanns “Dichterliebe”
anlehnend wählte er 20 moderne deutsche Liebesgedichte und vereinte
sie in dem fast einstündigen Liederkreis “Neue Dichter Lieben”.
Die stilistische Vielfalt war bemerkenswert. Den eruptiven, von einem
kecken Neoromantizismus gespeisten Liedern Moritz Eggerts standen die zarten
und ätherischen Gebilde von Charlotte Seither oder Wilfried Maria
Danner gegenüber; die hämmernde Motorik von Schleiermachers Expressionismus-Etüde
kontrastierte die schwebenden Klänge und esoterischen Rhythmen von
Jan Müller-Wielands “Tänzerin”. Die ruhige, fein ziselierte Fabelerzählung
von Johannes Kalitzkes “Nachricht von Charon” nach Franz Kafka fand ihre
Gegenposition in den reportageartigen “Städtebildern” von Caspar Johannes
Walter und in den Hölderlin-Monologen von Detlev Müller-Siemens.
Verzweifeltes und Heiteres, Sinnendes, Ausbrechendes und Verschwiegenes,
Liebe und Zorn, Erzählung und Aphorismus standen nebeneinander. Sie
vermittelten ein eigentümliches Aufbruchsgefühl, diese ersten
Klavierlieder des neuen Jahrhunderts.
Die Uraufführungen wurden durch die edition zeitklang auf drei
CD’s produziert, die seit Ende Oktober 2000 deutschland- und europaweit
distributiert werden (Best.Nr.: ez-20004, ez-40006 und ez-50003).
Der Norddeutsche Rundfunk, Saarländische Rundfunk, die Deutschlandwelle
sowie Klassik Radio berichteten täglich in ihren Hörfunkprogrammen
über die Lied:Strahl-Festivalwoche und zeichneten darüber hinaus
drei Liederabende und die Liederstunde auf.
Diskussionsrunden zur Zukunft des Liedes, das in einzigartiger Weise
Musik und Dichtung miteinander verbindet, Gespräche und Begegnungen
mit den Mitwirkenden und den Komponisten sowie die Installationen von Jakob
Mattner, Hector Solari und André Werner im Foyer und in den Gärten
rundeten das Programm ab.
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