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Ernährung
Im Zeitalter von BSE-Rind, Schweinepest und Hormonkälber fragt
sich der Verbraucher einerseits achselzuckend, was er überhaupt noch
bedenkenlos essen kann. Auf der anderen Seite erlebt die Gourmetkultur
mit ihrer Empfehlungshysterie der besten Restaurants und Weingüter
einen Aufschwung ohnegleichen. In Ethnolokalen läßt man schließlich
die lukullischen Erinnerungen des letzten Sommerurlaubs noch einmal am
Gaumen entlangstreifen. Irgendwie wird unsere Ernährung schlechter
und besser zugleich. Keiner weiß etwas Genaues. Auch Gentechnik und
Biotechnologie setzen zum Angriff auf unsere Mägen an. Schon reparieren
Joghurts die Darmflora, und in Entwicklungsländern wird Regenwald
niedergebrannt, um Platz für Felder für genverändertes Soja
zu schaffen. Wie aber ist das alles einzuordnen? Orientierung ist notwendiger
denn je.
Alle ausgewählten Weltweiten Projekte stehen mittendrin in der
Diskussion um eine nachhaltige Verbesserung der Ernährung im 21. Jahrhundert.
Die Bandbreite reicht von Wegen zur globalen Ernährungssicherung für
eine wachsende Weltbevölkerung über umweltschonende Landwirtschaft
bis hin zu regionaler Vermarktung ökologischer Lebensmittel. Zurück
zu den lokalen Ressourcen bedeutet auch, alte Nutztierrassen und Pflanzen
zu erhalten und, wo gefährdet, wieder zu revitalisieren. Altes bäuerliches
Kulturgut zu retten und die Verarmung der Artenvielfalt aufzuhalten ist
eben auch Bestandteil einer nachhaltigen Ernährungskultur. Wer weiß
schon, daß von weltweit 30.000 eßbaren Pflanzen nur 120 als
Nahrungsmittel angepflanzt werden? Hier gibt es viel Neues zu entdecken.
Was bringt die Zukunft auf den Teller?
Wie werden unsere Nahrungsmittel in Zukunft hergestellt?
Woher stammt unser Essen und wie wird es vermarktet?
Wie stellen wir die Welternährung sicher?
Ernährung sichern
Im Oktober 1999 erreichte die Weltbevölkerung ihren derzeitigen
Stand von sechs Milliarden Menschen. Im jährlichen Durchschnitt wächst
die Zahl der Menschen derzeit um 78 Millionen. Das entspricht in etwa der
Bevölkerungszahl Deutschlands. Die Vereinten Nationen schätzen,
daß diese Entwicklung wahrscheinlich bis zum Jahr 2010 auf diesem
Niveau bleiben wird. Doch nicht überall ist das Wachstum gleichermaßen
gegeben. Eigentlich findet es nahezu vollständig in Asien, Afrika
und Lateinamerika statt und dort wieder zu mehr als der Hälfte in
Südasien und Afrika, wo die ärmsten Länder der Welt anzutreffen
sind.
Armut und Bevölkerungswachstum gehen in diesen Regionen Hand in
Hand und bringen auch die dortige Umwelt in Gefahr. Immer mehr Menschen
sind nämlich gezwungen, die Natur stärker auszubeuten, als diese
sich wieder regenerieren kann. Abholzung der Regenwälder, zunehmende
Wüstenbildung und leergefischte Meere sind nur einige Stichwörter.
Nahrungssicherung weltweit und damit auch im reichen Europa kann aber
nur ausreichend stattfinden, wenn die ökologischen Rahmenbedingungen
stabil bleiben. Gibt es dafür eine Nachfrage, geht es der Umwelt besser.
Die Ernährungsexperten Franz-Theo Gottwald und José Lutzenberger
sehen dafür gute Chancen: Das schon heute verfügbare Wissen
über die Gefährdungen der elementaren Quellen der Ernährung
wird schon in naher Zukunft von einer Mehrheit der Weltbevölkerung
geteilt werden, also nicht mehr Expertenwissen einer Elite sein. Dank der
Informations- und Kommunikationstechnologie wird der Kenntnisstand über
die ökologische Dimension der Befriedigung des Grundbedürfnisses
nach gutem Essen in bisher nie gekanntem Maße weltweit anwachsen.
Die Welternährung fällt in zwei Teile
Die Hälfte der Weltbevölkerung ist ausreichend ernährt,
ein Teil sogar zu gut. Wie sagte der griechische Philosoph Sokrates so
schön: Wir leben nicht, um zu essen, sondern wir essen, um zu leben.
In den Industrieländern hat sich diese Einsicht vielerorts verkehrt.
Es gibt bereits erste Anzeichen, daß Diät und Angst vor übermäßigem
Essen immer mehr unseren Ernährungszettel bestimmen. Diät hier,
Mangelernährung dort, und die Situation in den Entwicklungsländern
ist und bleibt schrecklich. Etwa 840 Millionen Menschen müssen dort
mit einem Nahrungsenergiedefizit leben. Hunger regiert noch immer einen
bedeutenden Teil der Welt. Dies ist auch und insbesondere immer noch ein
soziales Phänomen, denn Armut steht vor Hunger und Umweltproblemen.
Was werden wir in Zukunft essen?
Viele Experten sind der Auffassung, daß die Nahrungsmittel, zumindest
in den Industrieländern, aus vielen Töpfen kommen werden. Neueste
Studien zeigen, daß dies nicht immer gesundheitsbewußt ist.
Essen und Trinken geschehen sehr häufig im Vorübergehen, mehrgängige
Menüs sind out. Werktags werden neben der Kantine vor allem die Imbiß-
und Schnellgastronomie aufgesucht, von denen es allein in der Bundesrepublik
rund 40.000 gibt. Sogenanntes Fingerfood, also Häppchen und Pfannengerichte,
die aus der Hand gegessen werden, wird dabei immer beliebter. Imbißbuden
verdienen hierzulande ungefähr 12,8 Milliarden Mark im Jahr. Nur sonntags
ißt der Deutsche zu Hause, weit mehr als drei Viertel essen dann
früh, mittags und abends in den eigenen vier Wänden.
Auf dem aufstrebenden Ast befinden sich nicht nur dann die beliebten
Convenience-Produkte, also vorgefertigte Gerichte, die bequem zubereitet
werden können. Insgesamt versuchen die Deutschen jedoch auf gesundheitsbewußte
Ernährung zu achten. 77 Prozent bevorzugen vitaminreiche und 59 Prozent
fettarme Kost. Erlaubt ist offenbar, was schmeckt. Light Food, Fit Food,
Functional Food, Wellness Food, Vitafood, Gen Food, Entertainment Food,
fast täglich kommen neue Spielarten hinzu. Die Biotechnologie ist
zudem eifrig dabei, Nahrungsmittel durch Zusätze aufzupeppen. Jeder
sechste Joghurt ist bereits gedopt.
Und auch Schädlingen und Krankheiten ist man auf der Spur. Durch
ihre Überwindung könnten erhebliche Ertragssteigerungen verwirklicht
werden. Diese sind möglich, wenn zum Beispiel der maximale Ertrag
einer Pflanze gesteigert werden kann. Die Steigerung der Produktivität
ist dringend geboten. Nur zum Vergleich: Während in Schleswig-Holstein
der Weizenertrag pro Hektar bei über 10 Tonnen liegt, sind es weltweit
gerade einmal 2,5 Tonnen. Der Kieler Ernährungsprofessor Joseph-Alexander
Verreet dazu: Der rasante Anstieg der Weltbevölkerung erfordert erheblich
größere Erntemengen.
Was bedeutet nachhaltige Ernährung?
Weniger Energie verbrauchen, besonders bei der Herstellung
und Verpackung von Lebensmitteln.
Regionale Vermarktung.
Weniger umweltbelastende Transporte.
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