Claus Graf von Stauffenberg
*15.11.1907 Jettingen, + hingerichtet am 20.7.1944 in Berlin

Es ist Zeit, dass jetzt etwas getan wird.
Derjenige allerdings, der etwas zu tun wagt,
muss sich bewusst sein, dass er wohl als Verräter
in die deutsche Geschichte eingehen wird.
Unterlässt er jedoch die Tat, dann wäre er
ein Verräter vor seinem eigenen Gewissen
Juli 1944

Das Attentat auf Hitler und der Umsturzversuch vom 20. Juli 1944 sind als die herausragenden Ereignisse des militärischen und zivilen Widerstands gegen den Nationalsozialismus aufs engste mit dem Namen von Claus Schenk Graf von Stauffenberg verbunden. In Schwaben 1907 geboren und katholisch erzogen, zeichnet sich Stauffenberg schon früh durch ein sozialethisch begründetes Verantwortungsbewusstsein aus. Sein Vater, Alfred Graf Schenk von Stauffenberg, dient als höchster Hofbeamter des Königs von Württemberg. Zu seinen Brüdern, den Zwillingen Alexander und Berthold, die zwei Jahre älter sind als er, hat Claus ein gutes Verhältnis. Eine besonders enge Beziehung besteht zwischen Claus und Berthold, der die Persönlichkeitsentwicklung seines jüngeren Bruders prägt und vielen geradezu als die reine "Verkörperung seines Gewissens" gilt.

Gemeinsam mit Berthold, der in der Zeit des Nationalsozialismus bereits vor ihm zum inneren Kreis der Verschwörer gegen Hitler zählen wird, setzt sich Stauffenberg früh mit den Grundfragen menschlicher Existenz und den Prinzipien politischer Gestaltung auseinander. Die Brüder Stauffenberg sind glühende Verehrer des Dichters Stefan George, dessen Tod am 4. Dezember 1933 in Locarno sie tief erschüttert. Später besinnt sich der gläubige Katholik Claus von Stauffenberg immer wieder auf einzelne Verse des Lyrikers, die ihm als Maximen seines Handelns und Verhaltens dienen.

Stauffenberg entschließt sich, Berufssoldat zu werden und schon bald werden seine großen soldatischen Fähigkeiten erkannt. Nach der Auflösung des Bamberger Reiterregiments im Sommer 1934 wird er an die Kavallerieschule Hannover versetzt. Anschließend absolviert er an die Kriegsakademie in Berlin eine Generalstabsausbildung. In seinem Lehrgangskameraden Albrecht Ritter Mertz von Quirnheim trifft er auf einen späteren Freund und Mitverschwörer. Nach dem Abschluss des Lehrgangs wird Stauffenberg zweiter Generalstabsoffizier beim Divisionsstab der 1. Leichten Division unter Generalleutnant Erich Hoepner. Er ist unter anderem verantwortlich für die Versorgung seiner Einheit mit Nachschub. Im Herbst 1938 ist Stauffenberg bei der Besetzung des Sudetenlandes dabei. Zu dieser Zeit zählt Hoepner bereits zum Kreis der Verschwörer um General Erwin von Witzleben.

Stauffenbergs Einheit kommt auch beim deutschen Überfall auf Polen im September 1939 zum Einsatz, anschließend wird er als Generalstabsoffizier bei der Westoffensive gegen Frankreich eingesetzt. Nach wechselnden Verwendungen in der Organisationsabteilung des Oberkommandos des Heeres wird er Anfang 1943 zur 10. Panzerdivision versetzt, die General Erwin Rommels Rückzug in Afrika decken soll. Am 7. April 1943 schwer verwundet, kann Stauffenberg noch vor der Kapitulation der deutschen Afrika-Truppen zurück nach Deutschland gebracht werden.

Erst im Verlauf des Krieges erkennt Stauffenberg den verbrecherischen Charakter der nationalsozialistischen Politik. Nur allmählich und langsamer als seine Mitverschwörer kann er sich aus der Faszination lösen, welche die militärischen Erfolge Hitlers auf ihn ausüben. Zur aktiven Gegnerschaft entschließt sich Stauffenberg, als er von den nationalsozialistischen Massenmorden im Osten Europas erfährt und das ganze Ausmaß der Verbrechen abschätzen kann, die Hitlers Krieg über das deutsche Reich und Europa bringt. Nach der schweren Verwundung, bei der er ein Auge, die rechte Hand und Finger der Linken verliert, wird er noch während seiner Genesung im September 1943 als Stabschef in das Allgemeine Heeresamt nach Berlin berufen. Zu diesem Zeitpunkt zählt er zum engsten Kreis der entschlossenen Gegner des Regimes innerhalb der Armee. Sein neuer Vorgesetzter im Oberkommando des Heeres in der Berliner Bendlerstraße wird General Friedrich Olbricht, der seit 1938 treibende Kraft der militärischen Umsturzbemühungen ist.

Olbricht weiht Stauffenberg in seine Umsturzpläne ein und führt ihn mit Ludwig Beck und Carl Friedrich Goerdeler, den führenden Köpfen der Konspiration, zusammen. Von seiner zentralen Stellung im Heeresamt aus versucht Stauffenberg, die verschiedenen Kreise und Gruppen der Widerstandsbewegung zu einigen. Nach seiner Überzeugung müssen sich alle Regimegegner trotz ihrer politischen Unterschiede auf gemeinsame Ziele verständigen, um nach dem Anschlag auf Hitler im entscheidenden Augenblick der "Stunde X" den Umsturz unverzüglich und entschlossen herbeizuführen.

Stauffenbergs persönliche Ausstrahlung ist groß, seine fachliche Kompetenz anerkannt. Er bringt viele Gegner der Diktatur zusammen und findet unter ihnen enge Freunde: nicht nur in der Wehrmacht, sondern auch Sozialdemokraten wie Julius Leber, Mitglieder des Kreisauer Kreises wie Adam von Trott zu Solz und Vertreter der Gewerkschaftsbewegung wie Jakob Kaiser und Wilhelm Leuschner.

Die Verschwörer erörtern auch grundlegende Probleme der innen- und außenpolitischen Nachkriegsordnung. Adam von Trott stellt die Verbindung zum Kreis um Helmuth James Graf von Moltke und Peter Graf Yorck von Wartenburg her. Stauffenbergs Freund Albrecht Ritter Mertz von Quirnheim beteiligt sich ebenso wie sein Cousin Cäsar von Hofacker. Dieser arbeitet als wichtigster Verbindungsmann mit der Gruppe um General Karl-Heinrich von Stülpnagel in Paris zusammen.

Obwohl keiner der Verschwörer einen hohen militärischen Rang bekleidet, verfügen sie in einigen Bereichen über entscheidenden Einfluss. Sie wollen von innen heraus den Anschlag auf Hitler und den Sturz des Systems wagen und stützen sich dabei auf einzelne Freunde, Kameraden und Vertraute. Niemals aber ist das Netz der Konspiration lückenlos - vielfach muss die Gruppe sogar auf die Zuverlässigkeit von Personen setzen, die ihnen keineswegs als sichere Regimegegner bekannt sind. Alle Schritte geschehen in Absprache mit Ludwig Beck und Carl Friedrich Goerdeler, die nach einem erfolgreichen Anschlag die volle politische Verantwortung übernehmen und dabei auf die jüngeren Verschwörer vertrauen.

Als sich 1943 wiederholt Attentatspläne zerschlagen und schließlich im Sommer 1944 enge Mitverschwörer wie Adolf Reichwein und Julius Leber verhaftet werden, entschließt sich Stauffenberg Anfang Juli 1944 - trotz seiner schweren Verwundung und seiner Schlüsselrolle in Berlin -, selbst den Anschlag auf Hitler zu wagen. Dessen militärische Lagebesprechungen scheinen eine gute Möglichkeit zu bieten. Er plant, Hitler durch einen Bombenanschlag in dessen Hauptquartier zu töten.

Obwohl Stauffenberg persönlich die Tat übernimmt, bleibt er auf die Unterstützung seiner Freunde angewiesen: Sprengstoff ist zu beschaffen und abzutransportieren, die Flucht aus dem Hauptquartier muss vorbereitet, eine weitgehende Nachrichtensperre verhängt und gleichzeitig der Funkverkehr aus der Berliner Zentrale der Verschwörer organisiert werden. Erst dadurch entsteht die Chance, das Attentat in einen Umsturz des gesamten Systems münden zu lassen. Stauffenberg plant den Anschlag auf Hitler zunächst für den 11., dann für den 15. Juli 1944. In Berlin löst General Friedrich Olbricht bereits am 15. Juli die "Operation Walküre" aus, in deren Verlauf wichtige Schaltstellen von Staat, NSDAP und Wehrmacht in Berlin besetzt werden sollen. Er kann sie nachträglich mühsam als Probealarm tarnen.

Am 20. Juli 1944 fliegt Stauffenberg zusammen mit seinem Adjutanten Oberleutnant Werner von Haeften in Hitlers Hauptquartier "Wolfsschanze" nach Ostpreußen. Unter großen Schwierigkeiten gelingt es ihm dort, wenige Minuten vor einer Lagebesprechung eine Bombe zu schärfen und unter dem Kartentisch abzulegen. Stauffenberg verlässt den Raum unbemerkt und beobachtet aus einiger Entfernung die Detonation. Eine Verkettung von Zufällen verhindert den Erfolg des Anschlags, und Hitler bleibt am Leben. Der schwere Eichentisch, über den er sich zum Zeitpunkt der Explosion gebeugt hat, schützte seinen Körper. Stauffenberg glaubt aber fest, dass sein Attentat gelungen ist, und verlässt das Hauptquartier im letzten Moment vor der Abriegelung.

Nach den Plänen der Verschwörer soll die vollziehende Gewalt möglichst rasch nach dem Attentat auf Offiziere übergehen, die den Umsturzversuch unterstützen. Die Zentren der Macht in Berlin müssen von verlässlichen Verbänden des Ersatzheeres besetzt werden und die einzelnen Wehrkreise mit politischen und militärischen Verbindungsleuten die Befehle der Verschwörer durchsetzen.

Als General Olbricht gegen Mittag des 20. Juli 1944 die Nachricht erhält, Hitler habe den Anschlag überlebt, zögert er zunächst, die "Operation Walküre" einzuleiten. Dennoch entscheidet sich Olbricht schließlich unter dem Einfluss von Mertz und Stauffenberg, die "Walküre"-Befehle zu erteilen. In Berlin und der näheren Umgebung setzen sich erste Verbände auf Befehl des Berliner Stadtkommandanten General Paul von Hase in Marsch. Doch schon bald schöpfen nationalsozialistische Offiziere Verdacht. Stauffenberg, Mertz und Olbricht versuchen dennoch, überall Offiziere zur Unterstützung des Umsturzversuches zu gewinnen. Ihre Bemühungen scheitern ebenso wie die von Ludwig Beck und Generalfeldmarschall Erwin von Witzleben, die ihre ehemaligen Kameraden überzeugen und gewinnen wollen.

Als am späten Nachmittag die "Walküre"-Befehle empfangen werden, sind die meisten Wehrkreiskommandos wegen des Dienstschlusses nicht mehr handlungsfähig. Gleichzeitig eintreffende Telegramme aus Hitlers Hauptquartier verwirren die Lage. In den frühen Abendstunden schlägt die Stimmung auch in Wien, Prag und in Kassel um, wo die Befehle der Verschwörer zunächst teilweise ausgeführt werden können. Weil sie aber keinen Zugriff auf die Berliner Rundfunksender erhalten, können sie sich nicht an die deutsche Bevölkerung wenden und für ihre Ziele öffentlich eintreten.

Im Laufe des späten Nachmittags gelingt es dem Reichspropagandaminister Joseph Goebbels mit der Hilfe nationalsozialistischer Offiziere überraschend schnell, das Heft des Handelns an sich zu reißen. Goebbels setzt den Berliner Stadtkommandanten von Hase fest. Im Allgemeinen Heeresamt im Bendlerblock gehen einige Generalstabsoffiziere, die nicht eingeweiht worden sind, gegen die Verschwörer vor. Die wenigen Truppen, die dem Befehl der Widerständler gefolgt sind, kehren am Abend in ihre Kasernen zurück. Angehörige des Wachbataillons umstellen den Bendlerblock und dringen schließlich in das Zentrum der Konspiration ein. Auf dem Flur kommt es zu einem kurzen Schusswechsel.

In den späten Abendstunden des 20. Juli müssen die Verschwörer erkennen, dass der Umsturzversuch endgültig gescheitert ist. "Alle haben uns verlassen", sagt Stauffenberg im engsten Kreis seiner Gesinnungsfreunde. Doch auch nachträglich bedauert keiner der Verschworenen seine Entscheidung. Sie haben im vollen Bewusstsein ihrer Verantwortung gehandelt und nehmen die Konsequenzen auf sich. Kurz vor Mitternacht erklärt sich Generaloberst Friedrich Fromm, auf dessen Mitwirkung am Umsturz die Gruppe um Olbricht zunächst gehofft hatte, zum Standgericht und Ludwig Beck wird nach dessen gescheitertem Selbstmordversuch erschossen. Anschließend befiehlt Fromm Claus Schenk von Stauffenberg, Albrecht Mertz von Quirnheim, Friedrich Olbricht und Werner von Haeften im Innenhof des Bendlerblocks hinzurichten.

In den folgenden Tagen und Wochen werden mehr als 600 Menschen im Zusammenhang mit dem Umsturzversuch vom 20. Juli 1944 festgenommen und mehr als 110 vom "Volksgerichtshof" zum Tode verurteilt und getötet.

© BPA