Konrad Adenauer
*5.1.1876 Köln + 19.4.1967 Rhöndorf

Eigentlich habe ich drei Leben gelebt. Das erste reichte bis 1917,
das zweite umfasst die Zeit als Oberbürgermeister in Köln,
und das dritte nun, das begann nach dem Zusammenbruch.

Adenauer, fünf Jahre nach der Gründung des Bismarckschen Reichs geboren, wächst mit drei Geschwistern in Köln als Sohn eines Justizsekretärs auf. Die Verhältnisse sind beengt: "Bis zu meinem 17. Lebensjahr musste ich mit einem meiner Brüder das Bett teilen." Der Vater, Sohn eines Bäckers, war in der Schlacht von Königgrätz schwer verwundet und danach zum Leutnant ernannt worden. Er erzieht seine Kinder im Geiste spartanischer Lebensführung und in schlichter, gottergebener katholischer Frömmigkeit. Dass man aus eigener Tüchtigkeit seinen Platz in der Gesellschaft verbessern kann, allerdings nicht diese selbst, wird eine lebenslange Überzeugung Adenauers bleiben. Ausgestattet mit dem Glauben an die göttliche Rechtschaffenheit des Irdischen, musste ihm jede Revolution nicht nur frevelhaft, sondern auch sinnlos erscheinen. So lautet auch später der erfolgreichste Wahl-Slogan des Politikers: "Nur keine Experimente".

Der Vater kann ein Stipendium erwirken, das es Adenauer erlaubt, drei Jahre lang in München, Freiburg und Bonn Rechtswissenschaften zu studieren. Im Assessorexamen erhält der ehrgeizige Jurist nur die Note "ausreichend", was ihm eine Richterkarriere unmöglich macht. Da er aber erfolgreich im Büro des Rechtsanwaltes Kausen arbeitet, der als Vorsitzender der Kölner Zentrumspartei über großen Einfluss im Stadtparlament verfügt, wird ihm der Weg zu den höchsten kommunalen Ämtern geebnet. Im Tennisclub "Pudelnaß" lernt er seine künftige Frau Emma Weyer kennen. Durch sie und die Heirat 1904 findet der 28-jährige Gerichtsassessor Eingang in die Welt des Kölner Bürgertums. Im Jahre 1906 tritt Adenauer sein erstes politisches Amt als Mitglied der Zentrumspartei an.

Adenauers Frau stirbt jung, mit 36 Jahren. 1919 heiratet der Witwer und dreifache Familienvater Auguste ("Gussie") Zinsser, mit der er weitere vier Kinder hat. Als gestrenges Familienoberhaupt, das weder raucht noch trinkt, sich nie ein eigenes Auto leistet und an Garderobe spart, erzieht er seine Kinder spartanisch und unnachsichtig; als Stadtoberhaupt plant er großzügig den Ausbau Kölns, das die mächtigste und schönste Stadt im Rheinland werden soll. 1917 wird der 41-jährige Adenauer einstimmig auf 12 Jahre zum Oberbürgermeister seiner Heimatstadt gewählt. 1921 wird er Präsident des Preußischen Staatsrates, 1926 lehnt er das Angebot, Reichskanzler zu werden, ab. 1929, im Todesjahr von Gustav Stresemann, bestätigt ihn die Kölner Stadtverordnetenversammlung mit einer Stimme Mehrheit als Oberbürgermeister.

Im März 1933 - Hitler war noch nicht einmal zwei Monate Reichskanzler - wird Adenauer von den Nationalsozialisten als Oberbürgermeister abgesetzt. Er begibt sich nach Berlin, um für sein Recht zu kämpfen. Zwischenzeitlich hält er sich für fast ein Jahr in der Benediktinerabtei Maria Laach auf. Am 30.06.1934, dem Tag des "Röhmputsches", wird er in Potsdam, wo er ein Haus gemietet hat, für zwei Tage verhaftet. Im Mai 1935 lässt er sich schließlich in Rhöndorf nieder. Obwohl er sich nicht aktiv am Widerstand gegen das NS-Regime beteiligt, wird er 1944 unter dem Verdacht, mit der Verschwörung des 20. Juli in Verbindung zu stehen, wieder verhaftet. 1945 setzen ihn die Amerikaner erneut als Oberbürgermeister von Köln ein, einige Zeit darauf entlassen die englischen Besatzungsbehörden Adenauer aber wegen "mangelnder Pflichterfüllung" und weisen ihn aus Köln aus. Im selben Jahr wird in Berlin die CDU gegründet und 1946 übernimmt der inzwischen 70jährige Adenauer ihren Vorsitz in der britischen Besatzungszone. 1948 wählt ihn der Parlamentarische Rat, der zur Ausarbeitung einer Verfassung für das Gebiet der drei westlichen Besatzungszonen berufen worden ist, zu seinem Präsidenten. Ein Jahr später wird Adenauer erster Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland. Noch 1949 schließt er mit den Westmächten, die ihre Hoheitsrechte über die Bundesrepublik Deutschland auf der Grundlage eines Besatzungsstatuts ausüben, das "Petersberger Abkommen", den ersten Vertrag des jungen neuen Staates.

Dass Bonn provisorische Bundeshauptstadt wird, hat auch mit Adenauers Einfluss und seinen tiefen Überzeugungen zu tun. Schon einmal, als Bismarcks Reich nach 1918 eine Zeitlang ziellos dahinzutreiben schien, hatte er versucht, sich der Fesseln des von Berlin aus regierten, großpreußisch geprägten deutschen Zentralstaates zu entledigen und auf einen mit dem Reich nur noch lose verbundenen rheinländischen Staat zu setzen. Als Mitte der 20er Jahre allerdings feststeht, dass Bismarcks Staat in Gestalt der Weimarer Republik weiterleben und jede "Los-von-Preußen"-Bewegung zum Scheitern verurteilt sein würde, trennt sich der fortan als "Separatist" geschmähte Adenauer entschieden von seinen Kampfgefährten aus der Rheinlandbewegung der Jahre 1918/1919. Mit der Entscheidung für die Bundesrepublik Deutschland sieht er auch die Möglichkeit, die von ihm zeitlebens für richtig gehaltene Politik der Westbindung bzw. -integration zu verwirklichen. Unter den Bedingungen des "Kalten Krieges" bedeutet dies, jede gesamtdeutsche Initiative, die das Misstrauen der Westmächte, eine kommunistische Beeinflussung oder eine außenpolitische Isolierung der Bundesrepublik hervorrufen könnte, abzulehnen und zu unterdrücken. Antikommunismus wird zu einem Leitmotiv seiner Politik: "Wir müssen den Damm errichten helfen gegen den russischen Nationalismus. [...].Dieser sowjetische Nationalismus ist besonders gefährlich deshalb, weil er auch getragen wird vom Kommunismus, der die Herrschaft der Welt anstrebt". Für Adenauer geht es um nichts Geringeres als die "Wahl zwischen Sklaverei und Freiheit". Seine Entscheidung: "Wir wählen die Freiheit!".

Adenauers Antikommunismus, der für viele Deutsche nach dem verlorenen Krieg noch eine Art Befriedigung und Rechtfertigung bietet, wird zu einem der weltanschaulichen Bausteine in der politischen Erfolgsgeschichte des ersten Bundeskanzlers der Bundesrepublik Deutschland. Ein anderer ist das "Wirtschaftswunder", das sich – auf der Grundlage des von Ludwig Erhard entworfenen Konzepts der "Sozialen Marktwirtschaft" – als höchst erfolgreich erweist. 1953 stirbt Stalin; am 17. Juni 1953 kommt es zu Arbeiteraufständen in Ostberlin und anderen Städten der DDR. Im gleichen Jahr wird Adenauer zum zweiten Mal zum Bundeskanzler gewählt. Überraschend vereinbart er 1955 bei seiner Moskaureise - die er gegen den Wunsch der Amerikaner unternommen hat - mit der Sowjetunion die Aufnahme politischer, wirtschaftlicher und kultureller Beziehungen. Er erreicht damit die Freilassung aller noch in sowjetischer Gefangenschaft befindlichen deutschen Soldaten, was ihm einen überragenden Sieg bei der nächsten Bundestagswahl einbringt. Im Oktober 1955 stimmt die Saarbevölkerung für den Verbleib bei Deutschland; Adenauers Politik bleibt auf den Westen fixiert. Immer wieder wird ihm von politischen Gegnern vorgeworfen, Stalins Angebot von 1952 - das gesamtdeutsche Wahlen unter Kontrolle der vier Siegermächte, Freiheit der Presse, einen Friedensvertrag, den Abzug aller fremden Truppen und die nationale Bewaffnung eines wiedervereinigten Deutschlands vorsah - niemals auch nur debattiert zu haben. Adenauer ist jedoch ebenso wie die Opposition unter Kurt Schumacher davon überzeugt, dass die deutsche Einheit zu jener Zeit nur über den Preis der Neutralisierung und des Verzichts auf jede Anbindung an einen der beiden Militärblöcke zu erreichen sei - ein Preis, den weder Adenauer noch die SPD zahlen will. Für den Bundeskanzler ist und bleibt die Neutralisierung Deutschlands als Gegenleistung für die Wiedervereinigung ein "heller Wahnsinn" und "die größte Eselei".

Schon früh setzt Adenauer auf das enge Bündnis mit Frankreich und anderen westeuropäischen Staaten, wie es in der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS oder Montanunion genannt) seinen Niederschlag findet. Der Versuch, Westeuropa im Rahmen einer Europäischen Verteidigungsgemeinschaft auch militärisch zusammenzuführen, scheitert allerdings 1954 an der französischen Nationalversammlung. 1955, nach Unterzeichnung des Deutschlandvertrages, durch den das Besatzungsstatut abgeschafft wird und die Bundesrepublik die Rechte eines souveränen Staates erhält, tritt sie der NATO bei. Es folgen Wehrgesetzgebung sowie der Aufbau der Bundeswehr und ihre Eingliederung in die Kommandostruktur des nordatlantischen Bündnisses.

Adenauer ist überzeugt, dass nur eine westlich orientierte Politik der militärischen Stärke und der politischen Geschlossenheit zum Erfolg in der Frage der Wiedervereinigung Deutschlands führen kann. Zugleich beflügelt ihn die Hoffnung auf die Verwirklichung der wirtschaftlichen Einheit Europas. 1957 unterzeichnet er mit weiteren fünf europäischen Regierungschefs die Römischen Verträge, mit denen die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) ins Leben gerufen wird. Auch glaubt der Kanzler, dass die Sowjetunion unter dem Druck innerer Schwierigkeiten und der Stärke des Westens zusammenbrechen und der Kalte Krieg mit einem von den Demokratien westlicher Prägung diktierten Frieden enden würde. Insgeheim hofft er, die westliche Welt würde eines Tages stark genug sein, "die Sowjetzone zurückzuholen". Als der Bau der Mauer am 13. August 1961 die Schwäche der sogenannten "Politik der Stärke" offenbart, kosten die "Mauerwahlen" 1961 der CDU die absolute Mehrheit. Gleichwohl wird Adenauer zum vierten Mal Bundeskanzler.

Innenpolitisch setzt Adenauer mit der "Kanzlerdemokratie" seine Ziele erfolgreich um. Als Regierungschef besitzt er einen natürlichen Instinkt für Machtverhältnisse. Adenauer weiß Menschen für seine politischen Überzeugungen zu gewinnen und vermag, gegebenenfalls im richtigen Moment nachzugeben - so z.B. gegenüber den Gewerkschaften in der Frage der "paritätischen Mitbestimmung". Seine Ära ist gekennzeichnet durch ein stabiles Wirtschaftswachstum und eine friedliche innere Entwicklung. Dass eine Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit kaum stattfindet, betrachtet er als günstig für den Erhalt des inneren Friedens. Adenauer mutet der Bevölkerung sogar jahrelang seinen Staatssekretär Globke zu, der 1935 einen Kommentar zu den Nürnberger Rassegesetzen mitverfasst hat. Die "Spiegel-Krise" von 1962, die u.a. zum Rücktritt des Verteidigungsministers Franz-Josef Strauss führt, bringt auch Adenauer ins Zwielicht. Der Koalitionspartner FDP scheidet aus der Regierung aus, und die Öffentlichkeit nimmt spürbar für die freie Presse Partei. Adenauers Tage als Kanzler sind gezählt.

Ein letzter Erfolg ist ihm in der Außenpolitik noch durch Charles de Gaulle vergönnt. Mit einer Achse Bonn-Paris will er - ebenso wie der französische Staatspräsident - sein Lebenswerk krönen und den Europäern den Weg in die Zukunft weisen. 1963 unterzeichnet er mit de Gaulle in Paris den "Vertrag über die deutsch-französische Freundschaft und Konsultation", wenig später erklärt er seinen Rücktritt. Am 15. Oktober 1963 wird der von ihm wenig geschätzte bisherige Wirtschaftsminister Ludwig Erhard sein Nachfolger als Bundeskanzler. 1966 gibt Adenauer auch das Amt des CDU-Vorsitzenden an Erhard ab, kurz darauf tritt auch dieser zurück. Kurt Georg Kiesinger (CDU) wird Kanzler einer Großen Koalition mit Willy Brandt (SPD) als Außenminister.

Adenauer nimmt als Mittelpunkt einer großen Familie noch bis zu seiner schweren Erkrankung Ende März 1967 aktiv am politischen Geschehen teil. Noch am 3. April 1967 empfängt er, von Krankheit gezeichnet, den neuen Bundeskanzler Kiesinger zu einem politischen Gespräch. Wenige Tage später stirbt er in seinem Haus in Rhöndorf. Auf dem dortigen Waldfriedhof wird er am 25. April 1967 unter großer Anteilnahme der Bevölkerung beigesetzt.

Heute wird das Anwesen mit Wohnhaus und Garten von der Stiftung Bundeskanzler-Adenauer-Haus, verwaltet, die auch eine Ausstellung zu Konrad Adenauer und seiner Zeit zeigt.

© BPA/Richard von Schirach