Rede von Bundeskanzler Schröder
zur Eröffnung der Weltausstellung Expo 2000

am 31. Mai 2000 in Hannover

Verehrter lieber Herr Bundespräsident,
meine Herren Präsidenten,
meine Herren Premierminister,
Herr Bundesratspräsident,
lieber Herr Biedenkopf,
Herr Ministerpräsident aus Niedersachsen!
Exzellenzen,
Eminenzen,
liebe Frau Breuel,
meine sehr geehrten Damen und Herren,

es ist wahr: Ich freue mich sehr, dass die Weltausstellung hier in Hannover, in Niedersachsen, stattfindet, und ich freue mich noch mehr, dass ich sie zusammen mit Ihnen eröffnen darf. Ich freue mich für unser Land, für Niedersachsen, aber auch für diese wunderbare Stadt Hannover, die meine Heimatstadt ist und in der meine Familie und ich gerne leben. Schließlich habe ich seit geraumer Zeit, seit fast genau zehn Jahren, für die Verwirklichung dieses Projektes zusammen mit Anderen gekämpft, vor allen Dingen mit dem Aufsichtsratvorsit-zenden Herrn Werner, dem wir alle zu großer Dankbarkeit verpflichtet sind und der diesen Beifall wirklich verdient hat. Das gilt natürlich erst recht für Frau Breuel, Herrn Volk und all die anderen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die hier gearbeitet haben. Wir haben ja manchen Kampf ausgefochten und gewonnen, sogar gegen Magerrasen, wenn ich richtig informiert bin. In diesen zehn Jahren hat sich hier eine Menge verändert, übrigens nicht nur bei uns, sondern auch in der Welt. Die Expo 2000 ist deshalb eine großartige Gelegenheit, diese rasanten und dramatischen Veränderungen mit allen ihren Folgen, Möglichkeiten und Chancen bewusst zu machen.

Die Digitalisierung der Produktion, die Globalisierung der Wirtschaftsbeziehungen, die Auswirkungen immer neuer technischer Entwicklungen, aber auch die Notwendigkeit, beispielsweise Umwelt- und Sicherheitsprobleme zunehmend im weltweiten Maßstab anzugehen - all das erfordert eine immer enger werdende internationale Zusammenarbeit; nicht nur der Länder und der Ver-antwortlichen in den Ländern, sondern - wenn es gelingen soll - auch der Menschen in den Staaten. Überall auf der Welt stellen sich Menschen die Frage, wie die rasanten Veränderungen in unseren Gesellschaften ihr persönliches Leben beeinflussen und wie sie damit umgehen können. Sie wollen wissen: Welche Zukunft haben die Kinder, die heute geboren werden oder diejenigen, die hier auf der Bühne waren? - Sie wollen wissen, was aus der Umwelt wird. Wie werden die Städte und die Arbeitsplätze in den Gemeinden und Städten aussehen? Was kann und muss ich tun - so fragen sich diese Menschen - um in einem sehr umfassenden Sinne an den Perspektiven einer Wissens- und Informationsgesellschaft teilzuhaben?

Eine der wichtigsten Antworten ist sicher: Wir alle - ich sage das insbesondere uns Deutschen - müssen internationaler werden. Damit meine ich: Wir müssen es nicht nur auf Veranstaltungen wie dieser, sondern müssen es zu einer Selbstverständlichkeit werden lassen, in globalen Kategorien zu denken, zu planen und zu handeln. Ich sage das ganz bewusst auch an die Adresse meiner eigenen, der deutschen Gesellschaft. Wir müssen Ängste vor Fremdheit abbauen. Denn Fremdheit passt nicht zu einer globalen Welt. Wir müssen uns stärker füreinander öffnen. Wir müssen die Chancen nutzen, miteinander zu leben. Und wir müssen bereit sein, voneinander zu lernen. Ich bin sicher: Wir brauchen diese Weltoffenheit. Wir brauchen sie, damit alle ihre eigenen Möglichkeiten entfalten können. Wer sich internationaler Zusammenarbeit verweigert, wer sich in einer Gesellschaft gegen Fremde und Fremdes abschottet, der behindert nicht nur die Anderen, sondern vor allen Dingen die Entwicklung seiner eigenen Begabungen und Fähigkeiten. Er behindert die Erweiterung seines Wissens und damit im Grunde seine eigene Zukunft.

Die Expo 2000 wird den Menschen aus aller Welt ein hervorragendes Forum bieten, ihre Erfahrungen, Gedanken und Visionen auszutauschen. Niemand - keine Gesellschaft, kein Staat, ja nicht einmal so wichtige internationale Bündnisse wie die Europäische Union - wird die Zukunft allein lösen können. Aber auch die Chancen des vor uns liegenden Jahrhunderts wird niemand für sich allein nutzen können. Nur wenn wir zusammenarbeiten, wenn wir Austausch und Kooperation ganz bewusst praktizieren, wenn wir uns für das Wissen und die Erfahrungen auch Anderer öffnen, für Menschen aus anderen Gesellschaften und anderen Kulturen, dann und nur dann steht uns buchstäblich die Welt offen. Ob für die Wirtschaft oder den Arbeitsmarkt, für Bildung oder Kultur, diese Weltoffenheit wird uns neue Ansätze und bessere Lösungen für die Probleme von heute und für die Herausforderungen von morgen aufzeigen. Hierfür stellt uns die Expo 2000 eine Fülle von Anregungen und Zukunftsent-würfen vor. Jede Gesellschaft, jede Kultur, kann auf dieser Ideen-Messe ihre eigenen Vorstellungen und konkreten Vorschläge zur Lösung der Probleme unterbreiten. So kann diese Weltausstellung, die Expo 2000, das Versprechen einlösen, das sie mit ihrem Titel „Mensch, Natur, Technik - Eine neue Welt ent-steht“ selbstbewusst und zu Recht selbstbewusst trägt.

Die Bundesregierung hatte 1995 die Völker der Welt eingeladen, am Beginn des neuen Jahrhunderts auf der Expo 2000 ihre Vorstellungen und Visionen für das künftige Zusammenleben der Menschen zu präsentieren. Ich will das hier ausdrücklich erwähnen. Wir haben dieses Projekt miteinander vorangetrieben - diejenigen, die ich genannt habe - aber das gilt in gleicher Weise auch für meinen Vorgänger im Amt, Helmut Kohl. Auch er hat sein persönliches Verdienst am Zustandekommen dieser Weltausstellung. Wir sind stolz darauf, dass 172 offizielle Teilnehmer unserer Einladung nach Hannover gefolgt sind. Allein diese eindrucksvolle Resonanz belegt, dass Weltausstellungen auch im Informations- und Kommunikationszeitalter nichts von ihrem Reiz und ihrer Attraktivität verloren haben.

Wir sind ganz sicher, dass sich das auch an den Besucherzahlen in unserem Land, in unserer Stadt, messen lassen wird. Denn kein Computer, kein Internet, kein noch so perfektes Virtualisieren unserer Welt können das unmittelbare Erleben ersetzen. Sie sollen es im Übrigen auch nicht. Gerade die sinnliche Wahrnehmung der ausgestellten Exponate, der Besuch der vielfältigen Projekte und Veranstaltungen, vor allem aber der direkte Kontakt, die persönliche Kommunikation mit Menschen aus so vielen Ländern und Kulturen, gibt der Weltausstellung ihren unverwechselbaren Charakter. Darüber hinaus bietet die Expo 20000 gerade für Wissenschaft und Wirtschaft, für Verbände und Gruppen aller Art, ein wirklich gutes Forum, um intellektuellen Austausch zu betreiben. Sie können hier ihre Gedanken und Erkenntnisse zur Diskussion stellen. Sie können und werden einem großen internationalen Publikum ihre Dienstleistungen, auch ihre Produkte, präsentieren. Auch das ist nicht unwichtig.

Zugleich hat gerade die Wirtschaft mit ihrem Engagement maßgeblich zur Verwirklichung dieses ehrgeizigen Vorhabens beigetragen. Ich sage auch das deutlich: Ich bin persönlich allen Sponsoren sehr dankbar, die mit ihrem privaten Engagement dafür gesorgt haben, dass dieses Projekt zu Stande kommen konnte. Ich denke, dass diese Weltausstellung damit ein gelungenes Beispiel für das ist, was man „public private partnership“ nennt. Ein sehr herzliches Wort des Dankes möchte ich aber vor allem an Sie, verehrte Frau Breuel, richten. Ich unterstreiche es noch einmal: Sie und Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben Hervorragendes geleistet. Ebenso danke ich dem brasilianischen Staatspräsidenten Fernando Enrique Cardoso. Ich freue mich, dass Sie als Ehrenredner an dieser Eröffnungsfeier teilnehmen.

Ich empfinde es als große Chance für uns, dass Deutschland von der Staatengemeinschaft den Auftrag erhalten hat, diese Weltausstellung auszurichten. 55 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges und zehn Jahre nach der deutschen Einigung kann und wird unser Land seine Weltoffenheit, seine Gastfreundschaft und seine Fähigkeit zur Toleranz unter Beweis stellen. Gleichzeitig - das sagen wir sehr selbstbewusst - können wir unsere wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, aber auch unsere ökologische Aufgeschlossenheit vorstellen und mit Anderen zusammen in fairer Partnerschaft dazu beitragen, Lösungen für das gerade begonnene neue Jahrhundert zu finden. Deutschland und vor allem die Stadt Hannover freuen sich auf ihre Rolle als Gastgeber. Die Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt waren sehr intensiv in den Entstehungs- und Gestaltungsprozess dieser Weltausstellung eingebunden.

Ich möchte nun alle herzlich einladen, sich auf die Welt von morgen einzulassen. Ganz besonders hoffe ich, dass viele junge Menschen die Expo 2000 besuchen werden und sie sich dafür gewinnen lassen, hier und anderswo ihre Kraft, ihre Kreativität und ihre Talente zur Lösung der Aufgaben einzubringen, die vor uns stehen. Für uns alle hat das Warten ein Ende. Die Expo 2000 öffnet morgen ihre Tore. Ich wünsche allen Teilnehmern für ihre Präsentation viel Erfolg. Allen Besuchern - woher auch immer sie kommen mögen - wünsche ich eindrucksvolle und unvergessliche Stunden auf der ersten Weltausstellung in Deutschland, auf der Expo 2000.

Ich erkläre damit die Expo 2000 hier in Hannover, in Deutschland, für eröffnet.